Mit einem umfassenden Maßnahmenpaket will das Ministerium für Verkehr in Baden-Württemberg durch den Einsatz moderner Digitaltechnik eine ressourcenschonende, umwelt- und klimafreundliche Mobilität sowie eine höhere Verkehrssicherheit ermöglichen.
Der Ministerrat hatte in seiner Sitzung am 7. März hierfür ein Budget von 8,6 Millionen Euro bewilligt. Die Mittel fließen unter anderem in Projekte zur Stauvermeidung, in die Erforschung und Entwicklung des autonomen Fahrens sowie in eine Ideenschmiede für die digitale Mobilität der Zukunft. Die Maßnahmen sind Teil der ressortübergreifenden Digitalisierungsstrategie „digital@BW“.
Verkehrsminister Winfried Hermann sagte: „Unser Ziel ist ein Verkehrssystem, das mehr Mobilität mit mehr Verkehrssicherheit verbindet und zugleich die Staus und die Luftbelastung mit Schadstoffen verringert. Gleichzeitig nutzt eine digitale Mobilität die Potentiale des ÖPNV sowie des Rad- und Fußverkehrs. Die Digitalisierung eröffnet uns hier neue Möglichkeiten.“ Bei der Planung der Digitalisierungsmaßnahmen sei es dem Ministerium wichtig gewesen, verschiedene Aspekte der Mobilität abzudecken, so Minister Hermann weiter. „Wir haben dem Ministerrat eine umfassende Projektliste vorgelegt, die gezielt Innovationen fördert.“
Von der modernen Fahrzeugtechnik über die Verkehrslenkung bis zur Sharing Economy: Die Digitalisierung ist ein Treiber der großen Veränderungen, die das Mobilitätssystem aktuell durchläuft. Die Informationstechnologie macht es möglich, dass sich Fahrzeuge und ihre Umgebung miteinander vernetzen. Sie kann Verkehrsteilnehmer passgenau über Verbindungen, Staus und Störungen informieren. Auch abseits der Metropolregionen bietet die Digitalisierung Kommunen im ländlichen Raum neue Möglichkeiten, den Bürgerinnen und Bürgern mehr Mobilität zu ermöglichen.
Aktuelle Projekte
Mit der Umsetzung der Projekte im Verkehrsministerium wird noch in diesem Frühjahr begonnen. Die Weiterentwicklung der Straßenverkehrssteuerung bildet dabei einen wichtigen Baustein. Auf einem ausgewählten Streckenzug sollen beispielsweise Ampeln an Echtzeitdaten zum Verkehrsgeschehen gekoppelt werden, um so die Schaltungen der Phasen situationsspezifisch und automatisch anzupassen. Geplant ist auch, Informationen zur Verkehrsführung in Baustellen an Navigationssysteme in Fahrzeugen zu übertragen. Über die variable Beschilderung mit LED-Technologie auf bestimmten Streckenabschnitten der Autobahnen werden Autofahrerinnen und Autofahrer künftig mit Reisezeitinformationen („Stuttgart +15 min“) versorgt.
Nach der Einrichtung des Testfelds autonomes Fahren Baden-Württemberg im Jahr 2016 folgen nun die nächsten Schritte. Ziel ist insbesondere die Förderung einer neuen Erprobungsumgebung für automatisiertes Fahren im ÖPNV, möglichst in einem großstädtischen und einem ländlichen Gebiet. Zudem plant das Ministerium für Verkehr, Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen des autonomen Fahrens auf das Verkehrssystem zu initiieren, etwa in Hinblick auf Sicherheit und Emissionen.
Die neue Förderlinie MobiArch BW steht für „Mobilitätsdatenarchitektur für innovative Services“. Kommunen, Verkehrsbetriebe, Forschungseinrichtungen oder andere Akteure mit Bezug zur Mobilität sollen gezielt dabei unterstützt werden, das digitale Abbild des Verkehrsgeschehens in Baden-Württemberg zu verbessern, um so die Basis für künftige Innovationen zu schaffen. Das Open-Data-Prinzip ist dabei die Richtschnur.
In einer Ideenschmiede zur digitalen Mobilität der Zukunft wird das Ministerium für Verkehr ab Sommer 2017 Experten aus Wirtschaft, Forschung, Verwaltung und Zivilgesellschaft vernetzen. In einem strukturierten Prozess wird die Ideenschmiede Handlungsempfehlungen für die Verkehrspolitik und Konzepte für Investitionen und Entwicklungsprojekte erarbeiten. Auch im Bereich Rad- und Fußverkehr gibt es ein entsprechendes Maßnahmenpaket.
Detaillierte Projektübersicht
Die vollständige Projektliste des Maßnahmenpakets für eine digitale Mobilität:
- Projektlinie MobiArch BW: Mobilitätsdatenarchitektur für innovative Services
Um Innovationen für die Mobilität von Morgen zu ermöglichen, braucht Baden-Württemberg eine gut zugängliche Datenarchitektur im Verkehrssystem. Die Projektlinie MobiArch BW ergreift hierfür wesentliche Schritte. So sollen etwa die Akteure des Verkehrssystems dabei unterstützt werden, Datenbestände zu standardisieren, in Datenpools zu verknüpfen, offenzulegen und deren Nutzung durch geeignete Maßnahmen zu befördern. Dies stärkt die „Open-Data-Kultur“ im Mobilitätssystem und lässt Folgeinnovationen im hohen Maß erwarten. Ferner sollen im Rahmen der Maßnahmen „Floating Car-Daten“, die in Echtzeit die Verkehrslage abbilden, für die Fläche des ganzen Landes bezogen und diese den wichtigsten Einrichtungen und Projekten der Verkehrssteuerung zur Verfügung gestellt werden. Damit wird die Konkurrenzfähigkeit der landeseigenen Angebote mit privaten Anbietern gesichert.
- Ideenschmiede für die digitale Mobilität der Zukunft
Es soll unter anderem eine Denkfabrik („Think Tank“) für die digitale Mobilität von Morgen eingerichtet werden. Dieser Denkfabrik sollen Experteninnen und Experten aus öffentlicher Verkehrssteuerung, Wirtschaft, Forschung und der „Zivilgesellschaft“ angehören. Der Think Tank entwickelt Lösungshorizonte und Anwendungsszenarien in zentralen Technologiefeldern. Diese Empfehlungen gehen in die Gestaltung der Verkehrspolitik des Landes Baden-Württemberg ein und sollen als Grundlage für künftige Investitionen und Förderaktivitäten dienen. Als Teil der Ideenschmiede wird zudem ein „Hackathon“ durchführt – eine circa zweitägige Veranstaltung zur kollaborativen Softwareentwicklung, die sich an Innovatoren, Programmierer und/oder Entrepreneure richtet. Schließlich beinhaltet die Ideenschmiede ein Förderinstrument, das Innovatoren mit Ideen zur neuen Mobilität in der Vorgründungsphase erste Umsetzungsschritte ermöglicht.
- User Experience in der digitalen Mobilität
Mit einem Pilotprojekt soll das hohe Niveau von Mobilitätsapps der privaten Hand bei Bedienkomfort und Nutzungserlebnis auf mindestens eines der bestehenden öffentlichen Angebote zur Mobilitätsinformation übertragen werden. Der Anwendungspartner soll in einem Förderwettbewerb bestimmt werden, um eine breite Wirkung zu erzielen. Neben Aspekten des Designs sollen im Projekt vor allem spielerische Elemente, sogenannte Gamification, Berücksichtigung finden.
- Ausbau von Erprobungsumgebungen und verkehrsbezogene Wirkungsabschätzungen zum automatisierten und vernetzen Fahren
Ziel ist die Förderung einer neuen Erprobungsumgebung für automatisiertes Fahren im ÖPNV in einem großstädtischen und einem ländlichen Gebiet zum Beispiel über ein Reallabor inklusive Beurteilung der Effekte. Eine aktuelle, vom Verkehrsministerium geförderte Studie des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen zeigt, dass autonome Kleinbusse im Ride-Sharing und door-to-door-Betrieb eine flächenhafte Erschließung durch den ÖPNV verwirklichen können. Zudem sollen Untersuchungen durchgeführt werden, die eine Beurteilung im Hinblick auf Struktur, Umfang und Finanzierbarkeit vorhandener und gegebenenfalls neuer staatlicher Handlungsfelder sowie zukünftiger Investitionen der öffentlichen Haushalte hinreichend zulassen.
- Digitale Erfassung von freien/belegten Stellplätzen an Park- und Mitfahrerparkplätzen
Baden-Württemberg verfügt landesweit über 107 Park- und Mitfahrerparkplätze (P+M) im Zuge der Bundesautobahnen und zweibahnigen Bundesstraßen mit rund 4.700 Stellplätzen. Weitere Stellplatzkapazitäten sind erforderlich, etwa durch Ausbau oder Neubau zusätzlicher P+M. Informationen über freie Stellplätze oder über die Vollbelegung von P+M helfen den Verkehrsteilnehmern bei der Reiseplanung vor und während der Fahrt. Das zu fördernde Projekt hat eine digitale Stellplatzerfassung für die P+M im Zuge der A 81 Singen –Stuttgart zum Inhalt. Auf dieser Strecke sollen zehn P+M mit einer Stellplatzerfassung ausgestattet werden. Die generierten Informationen werden den Verkehrsteilnehmern in Echtzeit auf der Internetseite der Straßenverkehrszentrale BW zur Verfügung gestellt.
- Mehr Verkehrssicherheit und weniger Stau durch digitales Verkehrsmanagement in Baustellen
Reisezeitinformationen und Videobilder von der Strecke und der Baustelle helfen den Verkehrsteilnehmern sich vor und während der Fahrt über die Situation vor Ort zu informieren. Es ist geplant, die Reisezeiten („Stuttgart +15 min“) und Reiseverlustzeiten („Mannheim +20 min“) auf den LED-Tafeln der Netzbeeinflussungsanlagen Leonberg-Walldorf und im Großraum Rhein-Neckar und an den Baustellen selbst anzuzeigen. Die Informationen sind auch online abrufbar und für mobile Endgeräte verfügbar. Mit diesem Projekt soll die Übertragung der Baustellenverkehrsführung und der Inhalte der Verkehrszeichen der Streckenbeeinflussungsanlagen an die Navigationsdienstleister sowie die Darstellung in den Navigationsgeräten umgesetzt werden.
- Intelligente Ampeln zur Reduktion von Staus und Emissionen
Auf einem ausgewählten Streckenzug werden die Ampeln technisch so ausgestattet, dass sie den Belangen aller Verkehrsteilnehmer/-träger möglichst gerecht werden. Floating Car-Daten (FCD) sollen hier pilothaft die Schaltprogramme unterstützen, zum Beispiel für eine Vorrangschaltung eines herannahenden Fahrzeugpulks.
- Verkehrsinfo- und Staumanagement-App
Der Internet-Auftritt der Straßenverkehrszentrale BW wird derzeit um eine App erweitert. Damit werden die Verkehrsinformationen der Straßenverkehrszentrale BW bedienerfreundlich und individuell anpassbar auf mobilen Endgeräten für die Nutzerinnen und Nutzer verfügbar. Die App wird um weitere Funktionen ergänzt, insbesondere um eine Verkehrs- und Stauprognose und eine Straßenzustands- und Wettervorhersage. Damit sind zukünftig noch verlässlichere Reiseplanungen möglich.
- Marktdurchdringung Abbiegeassistenzsysteme Lkw
Im Rahmen dieses Projektes soll die Wirkung dieser Systeme für Lkw-Fahrer, Radfahrer und Fußgänger, Speditionen und Fuhrparkbetreiber näher untersucht und die Marktdurchdringung forciert werden.
- Data4Bike: Vernetzte Daten für vernetzte Radmobilität
200 Jahre nach seiner Erfindung wird nicht nur das Fahrrad elektrisch und digital – auch in der Planung und Nutzung von Radinfrastruktur spielen digitale Komponenten eine zunehmend wichtige Rolle. Ziel des Vorhabens ist es, die bestehenden innovativen Ansätze in diesem Bereich sowie vorhandene Datenbestände zusammenzuführen, zu ergänzen, zu aktualisieren und zu pflegen. Die Daten sollen in aufbereiteter Form verschiedenen Zielgruppen zur Verfügung gestellt und so zur Grundlage für Investitionsentscheidungen sowie für fachliche Planungen werden. Geplante Bausteine sind insbesondere eine neue App für die Datenerfassung sowie ein digitales Mängelmeldesystem. Im Rahmen eines systematischen digitalen Erhaltungsmanagements werden landesweit vergleichbare Daten generiert, ausgewertet und analysiert. Durch digitale Zählstellen werden belastbare und vergleichbare Daten zur Nutzerfrequenz insbesondere touristischer Radwege generiert. Der digitale Radschulwegplaner sowie der digitale Radroutenplaner werden entsprechend der Nutzerbedürfnisse weiterentwickelt.
- Kommunikation Neue Mobilität
Nachhaltige Mobilität muss für die Menschen in Baden-Württemberg sichtbar und erlebbar werden. Informationen zu Angeboten, Kosten, Zeitbudgets, Verfügbarkeit und Gesundheitseffekten der Mobilitätsoptionen müssen leicht verfügbar sein. Ziel des Landes ist es, Baden-Württemberg zum Leitmarkt für E-Mobilität und Digitalisierung im Mobilitätsbereich zu entwickeln. Neue Mobilität soll zum Mainstream und zum Massenmarkt werden. Um dies zu erreichen, müssen die Aktivitäten des Landes in diesem Bereich kommunikativ begleitet werden. Hierzu soll die bereits 2015 erfolgreich durchgeführte Kampagne „Neue Mobilität“ einen entsprechenden Schwerpunkt erhalten.
- Digitales Verfahrensmanagement Großraum- und Schwertransport (VEMAGS)
VEMAGS ist das bundeseinheitliche E-Government-Projekt zur Online-Abwicklung des Antrags-und Genehmigungsverfahrens für Großraum- und Schwertransporte aller 16 Bundesländer und des Bundes unter der Federführung des Landes Hessen, welches nun weiterentwickelt wird.
- Ausbau des Verkehrssicherheitsscreenings
Das Verkehrssicherheitsscreening ist ein Verfahren zur Ermittlung und Analyse der unfallauffälligen Streckenabschnitte in Baden-Württemberg. Ziel des Verkehrssicherheitsscreenings ist es, Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Land zu priorisieren und zielgerichtet einzusetzen sowie die Arbeit der Verkehrsschau- und Unfallkommissionen nachhaltig zu erleichtern.
(Quelle: Presseinformation des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg vom 10.03.2017)